Im Dunkel des herbstlich bunten Waldes vor dem Über- oder Untergang zum Winter berührt mich die Bekanntschaft mit ihnen. Sie haben alle bisherigen Katastrophen in der Geschichte unseres Planeten überlebt und werden wohl auch Homo Sapiens überdauern. Oft im Dunkel der Wälder, unsichtbare und weit verzweigte Myzele im Boden bildend, bauen sie Kommunikationsnetzwerke unter Bäumen und sind Spezialisten der Symbiose mit ihrer Umgebung, liefern Mineralien und erhalten Zucker. Pilze brauen unser Bier, lassen unseren Backteig aufgehen, helfen im Magen der Wiederkäuer, liefern uns Penizillin, wachsen als Flechten in Symbiose mit Algen auf den Almen. Sie sorgen für Stoffe, die unser Bewusstsein erweitern, bilden Mittel gegen Depressionen und andere Krankheiten, können zu Leder verarbeitet werden oder auch unvorsichtige Erdbewohner töten.
Sie leben im Zwischenreich zwischen Pflanzen und Tieren und gelten seit 1969 als dritte, eigenständige Lebensform, die mit beiden Gruppen bestimmte Eigenschaften teilt. Eine Gruppe ist darauf spezialisiert, organisches Material zu zersetzen und am Ende anorganisches Material an den Boden zu liefern, eine andere ernährt sich von Fleisch, eine dritte lebt in Symbiose mit Bäumen. Mal vermehren sie sich sexuell, mal asexuell, meist haben sie in ihren Zellkernen nur ein Chromosenpaar, manchmal auch zwei; ihre Zellen können mehrere Zellkerne besitzen.
Sie halten auch Rekorde: In Oregon hat man ein Myzel mit 100 Hektar Ausdehnung gefunden. Es gilt mit einem geschätzten Gewicht von 600 Tonnen als größtes Lebewesen der Erde. Seit etwa 2,4 Mrd. Jahren bevölkern sie die Erde und unterstützten, so wird vermutet, den Landgang der ersten Pflanzen durch symbiotische Beziehungen.